Ein schöner Tag im schönen Berchtesgadener Land
Am 9. September umrundete ich in 10 Stunden den Königssee. 34 Kilometer auf einsamen Singletrails. 2900 Höhenmeter rauf und runter. Schwerstarbeit für Mensch und Material.
Vorgeschichte
Die Idee zur Umrundung auf dieser Strecke kam mir beim Lesen einer „True Story“ vom Bayrischen Elite Bergläufer Stephan Tassani-Prell aus Piding. Er lief 2009 die Umrundung (34 km, 2900HM) in 4:50, seine Frau kam nach 6 Stunden zurück nach Königssee! Da werde ich nicht ganz mithalten können. Mein Handicap: Im Gegensatz zu den beiden hatte ich einen Tagessrucksack zu tragen, machte 72 Fotos, musste ein paar Mal nach dem Weg fragen, da ich 2/3 vom Weg nicht kannte bzw. nicht markiert war und meine Ausdauerfähigkeiten natürlich nicht für so eine
extrem schwierige Strecke reichten.
Anreise
Nachdem ich kein Auto zur Verfügung habe muss ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln reisen. Ökologisch halt. Eine weitere Hürde wie sich im Laufe des Tages noch herausstellen wird. Um 07:00 checke ich nochmal online die Verbindungen. Zuerst wollte ich über Laufen-Freilassing fahren. Entscheide mich dann aber für Oberndorf-Salzburg-Berchtesgaden. 07:19 Abfahrt Lokalbahn. In Salzburg suche ich den „Sonderbus“ nach Berchtesgaden. Es ist ein Oldtimer von Fa.Marazeck! Zufällig finde ich ihn am Busbahnhof. Um sehr günstige 10 Euro geht’s los. Einzig die
mitfahrende deutsche Urlauber Kolonie „10 Mann Hoch“- macht mich etwas nervös ☺ .
Ansonsten ein traumhafte Anreise bis zur Jennerbahn Talstation.
Um 09:30 starte ich ins Abenteuer
Der erste Teil der Strecke ist mir wohlbekannt aus mehrmaligen Jenner Berg Lauf Teilnahmen. Ein harter Lauf über 8,7km und 1200HM! Ich folge dem Weg bis zur Königsbach Alm auf 1200HM. Passiere die Alm nach 47min. Bin also gemütlich unterwegs. Nach der Hütte wird’s extrem Steil, 25% Steigung. Immer wieder überhole ich Wanderer an diesem optimalen Bergtagerl. Um 10:45 bin ich bei der Priesberg Alm (1400HM) und bewundere die Aussicht auf den Watzmann. Unschlagbar schön. Die kleine Alm ist bewirtschaftet und eine gute Alternative zur Gotzen Alm. Ist
halt nicht so „In“. Ein Ehepaar fragt mich nach meinem Vorhaben. Sie schauen mich ungläubig an und stufen mich als Verrückt ein als sie von mir hören dass ich keine Übernachtung plane ☺
Es folgt ein an Schönheit nicht zu übertreffender Singletrail (auch als Wanderweg bekannt 🙂 der aber nach 500 Metern leider abrupt in eine Aufstiegs Schinderei zum Hochgschirr (Sattel auf 1950HM) endet. Nach 2 Stunden heftig schöner Plagerei bin ich oben und mach noch einen Abstecher zum Seelein See. Kurze Rast mit Verpflegung und Foto Shooting mit anderen Wanderern. Hier frage ich das erste Mal nach dem Weg. Meine nächsten Ziele: Salet Fischunkel Alm stehen hier nämlich nicht auf dem Wegweiser. Vom See sind es noch 100HM bergauf über Geröll
zum Hochgschirr. Einem Sattel auf 1950 Metern. Ich erstarre vor Alpenländischer Schönheit. Wieder schenkt mir der Herrgott (denn muß es wohl doch geben ☺ ) ein atemberaubendes Panorama. Das Landtal liegt mir zu Füßen. 4 Kilometer und 1300 Höhenmeter. Bergab!
Über die Zeit mache ich mir noch keine Sorgen. Die ersten 200HM sind über Schutt&Geröll sehr mühsam. Auf 1700 m Seehöhe bin ich bei der Abzweigung zum Kaunersteig und Gotzenalm. Hier würde sich also eine schöne Runde anbieten. Da ich aber schon vom ungnädigen Kaunersteig gehört habe, bin ich froh nicht in diese Richtung gehen zu müssen. Es folgt eine sehr schöne Passage durch den Wald im Landtalgraben. Aber wieder nur kurz. Mein Rhythmus wird jäh gebrochen. Es ist der Abstieg über den Landtal Steig beim Wasserfall. Es gilt einige Querungen über senkrechte (was sonst) Felswände zu überwinden. Gott sei Dank sind Drahtseile und Eisenstufen in Griffweite. Diese Sicherungen sind auch unbedingt notwendig. Der Fels ist durch den nahen Wasserfall sehr feucht und sehr rutschig. Ein weiteres Naturschauspiel ist in Sichtweite. Der höchste Wasserfall Deutschlands, der Röthbach Wasserfall. Er fällt 400 Höhenmeter talwärts. Mit wenig Wasser aber es ist ja trockenes Sommerwetter. Das nächste Panorama mit Obersee& Königssee & Watzmann wartet schon auf Polaroid gebannt zu werden. Fast. Die Fotos mache ich mit einer kleinen Casio Exilim. Damit Foto machen dauert länger als mit meinem Sony Xperia S Smartphone! Dieses habe ich aber zur
GPS Aufzeichnung eingeteilt. Es verrichtet bis jetzt hervorragende Arbeit. Als ich schon das härteste des Abstiegs hinter mir wähnte, kommt das Finish. 300HM im Wald steil bergab, ständig in Gefahr auf dem Laub nicht auszurutschen. Nach fast viereinhalb Stunden feinstem Wadl Beißen spuckt mich der Wald auf der Fischunkl Weide (700HM) aus.
Es ist Halbzeit..
..denke ich mir. Sehr euphorisch, in Folge meiner Leistung und der Natur, laufe ich durch die immer dichter werdende Tagesausflügler Menschenmasse Richtung Fischunkel Alm. Ich kämpfe mit meiner Flüssigkeitsversorgung. Ich habe nur eine 0,75lt Flasche dabei. Mein Trinksack liegt undicht zu Hause. Ich muß also relativ oft für Nachschub sorgen. Bei der kleinen Alm sind mir aber zu viele Leute. Ich laufe weiter zur Salet Alm. Immer wieder muß ich langsamer werden und stehen bleiben, zu eng. Nach fast fünf Stunden erreiche ich um 14:30 die Salet Alm. Eine längere Pause ist nötig. Ein halber Liter Cola erfrischt mich. Der Gedanke jetzt ins Boot zu steigen um die Tour zu verkürzen oder gar abzubrechen kommt mir gar nicht in den Sinn. Ich sitze inmitten der Touristen und lasse sicher mehr Schweiß zurück, als ich Getränke zu mir nehme. Ein erstes SMS Richtung Familie geht hinaus. Rund um den Königssee- Ein schöner Tag im schönen Berchtesgadener Land
Die Zeit drängt – es wird kühl. Die nächste Etappe verläuft im Schatten und ist mir noch ein Rätsel. Ich muß auf einem alten Viehsteig nach St. Bartholomä. Offiziell ist dazu ein stundenlanger Umweg über die „Saugassn“ mit 1000 zusätzlichen Höhenmetern rauf und runter notwendig. Ich kenne den Weg nur aus einer Erwähnung im Internet. Auf meiner alten AV Karte ist er aber eingezeichnet. Ich folge zuerst dem Wanderweg, und komme zu einem kleinen Kaser. Von hier soll der Steig am See entlang gehen. Die Gäste und Besitzer beäugen mich!! Ich gehe weiter UND nach ein paar Minuten höre ich Schreie. Es wird mir sogar nachgejodelt! Nach dem Motto „Kehr doch um du Wandersmann, du rennst in dein Verderben!“
Tu ich aber nicht. Ich kenne meinen Plan. Nach einer Begegnung mit einem FKK Pärchen bin ich auf dem richtigen Weg. Und dieser wird ein langer sein. Der Weg ist dann doch sehr deutlich zu erkennen. Der war sogar mal gesichert.Verankerungen im Fels erinnern daran. Nach 35 Minuten habe ich wieder 400 HM überwunden. Das wär ja nicht so schlimm. Wenn es jetzt nicht wieder sehr steil hinunter gehen würde. Dazu noch auf Beton! Der Weg wurde wohl zu Versorgungszwecken einmal für immer und ewig in den Stein (!) gemauert. Schrecklich. Am Königsee angekommen bin ich echt am Ende mit meinen Beinen. Ich kann kaum noch laufen, zu müde vom abwärts laufen. Um 16:00 erreiche ich St. Bartholomä. Ein Tourismus Mekka in Bayern. Dazu ist gerade noch ein Konzert der Blasmusikkapelle Ramsau. Ich habe aber keine Zeit. Einen Sitzplätz hätte ich eh keinen gefunden. Hunderte Touristen sind unterwegs. Besonders viele Russen. Sie haben sogar 2 Boote gechartert sagt man mir. Ich trinke einen Radler und ein Cola. Der Radler mußte einfach sein. Ich lasse noch ein Foto machen von mir und telefoniere kurz mit meiner Frau. Sie und die Kinder sind gerade auf einem Kunsthandwerksmarkt! Auch sehr anstrengend ☺
Ich nehme jetzt zur Kenntnis dass ich meinen Zeitplan nicht mehr einhalten kann.
Im Idealfall wollte ich um 17:15 mit dem Oldtimer Bus wieder nach Salzburg fahren. Meine Zielankunft berechne ich jetzt aber mit 19:30. Das wäre OK für mich in Anbetracht meiner Leiden. Es kommen mir immer weniger Wanderer entgegen. Überholen tue ich schon lange keinen mehr. Eh klar. Wer geht schon um diese späte Zeit noch den Rinnkendlsteig aufwärts und auch noch runter bis nach Berchtesgaden. Es werden noch einsame 3 Stunden. Am Einstieg zum Steig sehe ich den Wegweiser: Rinnkendlsteig:Schwarz markiert- Absturzgefahr- Steinschlag! Die erste Stunde aufwärts fühlt sich an wie zwei. Endlose Kehren im Wald. Ich warte auf die Passage mit den Felsen, ich will sie hinter mir bringen. Die Dämmerung bricht über mich herein. Dann ist es soweit. Die Felspassage ist da. Ohne Erbarmen geht’s über Leitern, Eisenstufen an der Wand hinauf. 840 Höhenmeter auf 2 Kilometer. Es ist kalt und ich bin alleine. Nur manchmal habe ich Gesellschaft – in Form von Gedenk Marteln! Ich treffe in der glatten Felswand eine Entscheidung: Dies soll meine letzte Tour für heuer sein. Zu anstrengend für Geist und Körper. Ich kann mich nicht mehr motivieren für weitere Aktionen im Herbst. Im Jänner wartet ja der 70 Kilometer lange Marcialonga Langlauf Marathon in Predazzo!
Dem Herrgott bin ich dankbar als ich bei der Kühroint Hütte(1400HM) gegen 18:00 ankomme. Ziemlich geschlaucht bestelle ich mir eine Apfelsaft Schorle, bei uns als OBI Gspritzt bekannt. Die Wanderer die noch auf der Terrasse den Sonnenuntergang genießen buchen meist ein Zimmer mit Halbpension. Beneidenswert. Ich wechsle mein T-Shirt und begebe mich auf den Abstieg. Am Anfang überlege ich noch mal kurz ein talwärts fahrendes Auto zu finden. Gibt’s aber keines. So trete ich den qualvollen Weg nach unten an. 800 Höhenmeter sehr steil auf rutschigem Schotter abwärts. Es nimmt einfach kein Ende. Nur manchmal öffnet sich ein Blick ins Tal. Die Nacht bricht herein als ich die Bobbahn erreiche. Mit einem österreichischen Ehepaar GEHE ich den letzten Kilometer zum Parkplatz. Die See Promenade hat sich geleert. Die „Fremden“ sind weg. Romantische Nacht am Königssee. Zu guter Letzt versäume ich den Bus nach Berchtesgaden. Mittlerweile ist es 20:30 geworden. Dann versäume knapp ich den Zug nach Freilassing. Dann fahre ich mit dem Taxi nach Salzburg. Dann verpasse ich noch die Lokalbahn. Um 22:00 bin ich zu Hause. Müde aber durch und durch Glücklich.
>> Fotos zur Tour
>> GPS Track auf trainingstagbuch.org