Der längste Tag…
Ja es war der längste Sporttag in meiner Rennrad Laufbahn. Dazwischen 216KM und 2700 Höhenmeter. Wie kam es dazu? Oft ist der Wunsch Vater des Gedankens. Der Wunsch endlich mal einen 200er auszupacken. 160 Kilometer bin ich schon mal gefahren. Von Linz über kleine Straßen nach Salzburg. Auch da immerhin 200 Höhenmeter. Die magischen zweihundert müssen fallen. Die Wahl fiel auf den Mondseer 5 Seen Rad Marathon. Heuer in der Corona Ausgabe Individuell. Das heißt nur die Anstiege werden ausgewertet. Keine Tempobolzerei in den Abfahrten. Das kam mir entgegen bin ja eher auf der Hasenfuß und Safety First Seite. Am Vortag habe ich mir den Zeitnehmungschip geholt. Am geplanten Start war dies nicht möglich. Möglich war auch die Zeitmessung auf die Postalm nicht. Die Postalm GmbH hat dies untersagt. Aus diskutierbaren Gründen will ich mal sagen. Aber ok vielleicht gibt’s da noch mal eine Gesprächsbasis zwischen den Parteien.
…war wirklich lang und speziell
Um 4 klingelt der Wecker, um 5 Früh fahr ich mit der S-Bahn nach Oberhofen am Irrsee. Ich bin etwas nervös, die Distanz ist noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Kurz nach 6 trete ich in die Pedale und stelle mich auf einen einsamen Tag ein im Individual Modus. Mondsee liegt mehrheitlich noch in den Betten. Kurz vor 7 bin ich am Startpunkt in der Allee mit Blick zum See. Plötzlich bin ich umzingelt von Rennrad Fahrern. Allesamt richtige Cracks, Podestfahrer vom Veranstalter Club, den Naturfreunden Mondsee. Als I-Tüpfelchen im weissen Renn Dress, Andreas Goldberger himself! Godfather of Schmäh! Ich mach auch mit und frag den Capo des Vereins ob ich mitfahren kann mit Ihnen in der Gruppe. Dann ist es nicht so fad als den ganzen Tag allein im Sattel. Wir tauschen Telefon Nummern aus. Für den Fall das was passiert meinte er. Ich hätte nicht gedacht das dies noch wichtig werden sollte.
Wir rollen los
Im Pulk ordne ich mich als Greenhorn und Eindringling mal ganz hinten ein. Spaßeshalber sage ich das ich halt „mitlutschen“ will. Wir fahren in geordnet immer zwei nebeneinander. Nach ein paar Kilometer merke ich schon das es etwas schneller ist als mein sonstiges Tempo. Mein Bianchi läuft gut, dass hält die Geschwindigkeit locker. Plötzlich sagt einer zu mir „jetzt bist du dran!“. Ich schau ihn verdutzt an uns sage „mit was“? Seine Antwort: Wir fahren Kreisel! Mir wird kurz schwarz vor den Augen. Kreisel! Alarm! Die Radsport Gemeinde weiß natürlich das es sich hier um keinen Spielzeug Kreisel handelt sondern um den Belgischen Kreisel. Einer Rennrad Taktik um schneller voran zukommen in der Gruppe. Wir fahren eng nebeneinander und wechseln uns nach ein paar Minuten ab mit der Führungsarbeit. Ich frage öfters nach, ob mein Timing passt. Es ist sehr ungewohnt für mich, ich bin noch nie einer Gruppe gefahren, geschweige den in einem belgischen Kreisel. Es macht aber höllischen Spass und man ist wirklich viel schneller als allein. Nach 25 eher flachen Kilometern kommt die erste Zeitmessstation. Die Russenstrasse hinauf nach Hof mit 7% Steigung. Wir checken mit dem NFC Chip Armband ein und los geht’s. Ich lasse die anderen zuerst fahren und bin auch gleich das Schlusslicht. Da pfeifen die Komantschen würde der Armin sagen! In der Hektik verpasse ich auch gleich die erste Check Out Markierung. Egal heute, ist ja eh nur „Individual“. Die 200 sind wichtig, wie auch immer. Es geht weiter, und die Geschwindigkeit nimmt immer mehr zu. Es geht leicht bergab und wir passieren den Fuschlsee. Meine Beine sind noch frisch, super Stimmung bei allen. Ich spüre das alle meine Strava Rekorde in diesem Gebiet heute fallen werden. Lässig!
Wir nähern uns dem Wolfgangsee. In der Abfahrt nach St. Gilgen hab ich einen 70er am Tacho, Scherz – ein Garmin natürlich!
Flach geht’s bis nach Strobl, ich drück nochmal aufs Gas im Wissen, das ich den Anstieg auf die Postalm eh alleine fahren werde müssen. Die sind einfach alle besser als ich, am Berg sowieso. Ich sag ihnen das auch. Aber sie geben nicht klein bei und sagen das oben gewartet wird auf mich. Ich wollte mitfahren, also muss ich mitfahren. So einfach ist das. Ich quäle mich bergauf. Mehr als ein 10er Schnitt ist nicht drin. Ich werde von einigen Jungspunden überholt. Macht mir nix aus. Ich habe andere Qualitäten. Endlich am Plateau der Postalm angekommen trudle ich als letzter ein. Ich kann kaum sprechen und die Runde mit dem Goldi macht Happy Hour! Ich fass es nicht. Mit zittrigen Händen fülle ich meine Wasserflaschen auf. Zum Essen hab ich keine Zeit, wir fahren weiter. Im Downhill nach Abtenau brems ich mehr als die anderen und komm mir trotzdem pfeilschnell vor. Am Treffpunkt wartet man noch auf mich aber zum Reden komm ich nicht mehr. Ich muss jetzt endlich was Essen. Durch meine Pause verliere ich die Jungs aus den Augen. Weg sind sie. Kurz vorm Pass Gschütt bei KM 90 bekomme ich Krämpfe im linken Fuß, muss absteigen und lockern. Das nütze ich, um mich offiziell von der Gruppe zu verabschieden per SMS. Der Tausch der Nummern war wichtig, wie man jetzt sieht. Ich quäle mich weiter, habe Durst. Im Individual Modus musst du dich selbst versorgen. Gar nicht so einfach ohne Ortskenntnisse. Ich schaffe den Pass Gschütt und runter Richtung Hallstätter See. Die Straße wird leider gerade neu asphaltiert und ist gefräst. Scheisse zum Fahren. Kurze Navi Probleme im Tal, muss immer wieder das Handy rausholen. Endlich sehe einen Badeplatz mit Kiosk. Nichts wie hin. Ich brauche dringend Wasser und eine Cola. Nach dem ich jetzt allein unterwegs bin kann ich mich etwas sammeln und auch Fotos machen. Gut gestärkt geht’s weiter Richtung Bad Goisern und Bad Ischl. Es ist gleich Mittag und die Sonne brennt gnadenlos in meinen Nacken und viele Autos überholen mich. Die Strecke verläuft viel auf Bundesstraßen, nicht gerade romantisch. Aber man soll nicht jammern, treten ist angesagt. Plötzlich die Abzweigung zum vierten See, dem Attersee. Es beginnt mit einer neuerlichen Section Control hinauf ins Weißenbach Tal. Nicht allzu schwer aber in der Hitze auch nicht lustig. Die Sektoren Zeiten sind mir inzwischen egal.
Mir sind flache Segmente lieber
Nach 150 Km und 7 Stunden Fahrzeit erreiche ich den 5 See, den Attersee. So schöne Gastgärten am Ufer und ich kann nicht hinein, eine halbwegs ordentliche Zeit möchte ich ja doch. Ein 25er Schnitt und ich wäre glücklich. Den Attersee umrunde ich etwas langsamer, gebe nicht alles, den es warten noch 50 Kilometer und eine lästige Steigung am Ende. Bei KM 180 in St. Georgen im Attergau bin ich wieder etwas planlos. Mein Navi läuft schon im Energie Spar Modus wie ich auch. Streckenposten wären cool, aber das gibt’s heute nicht. 190 KM hab ich schon, bin ja etwas weiter gefahren als die anderen, die letzte Steigung zum Lichtenberg nervt mich am meisten, sind eh nur 3 Kilometer, aber gefühlt 6 und das bei der Hitze, zum Trinken hab ich auch nix mehr. Ab jetzt nur noch bergab. Fast denn es zieht sich schon noch eine Ewigkeit bis ich in Loibichl am Mondsee bin. Die Füße tun mir weh, ich muss die Schuhe aufmachen. Wann bin ich endlich da?
Kurz nach halb fünf steig ich vom Rad, bin ich im Ziel. Ich sags nochmal. Nach 216 Kilometer, 2700 Höhenmeter, 8:45 Nettofahrzeit und 10:20 Bruttofahrzeit bin ich in MONDSEE! Mega, Genial, Sensationell. Ich hab meinen ersten 200er gemacht! Was für ein Tag!
Mein Dank gilt nochmals den Burschen von den Naturfreunden Mondsee fürs Mitziehen, dem Andi für den kurzen Small Talk und meinem überaus geliebten Bianchi.
Wie lange brauch ich eigentlich für 300km? 😉